Vor über zwei Jahrtausenden, im alten Israel und auch noch später im babylonischen Exil, sang man dem Herrn Lieder – religiöse Poesie, die bittet, fleht, klagt, die Gott lobt und preist. Zu diesen Liedern spielte man Leier und Harfe; die Saiten zu schlagen nannte man im Griechischen „psallein“, hieraus ist uns der Name für diese Lieder erwachsen: Psalmen. In ihnen ist die ganze Bandbreite menschlicher Emotion in ihrem Bezug auf Gott hin dargestellt; manche davon sind uns heute noch geläufig, selbst außerhalb eines religiösen Kontextes; manche sind uns auch fremd geworden und wirken drohend. Eines ist ihnen jedoch gemein: Sie weisen über das rein Irdische hinaus in eine andere Welt.
„Ich preise den Herrn, der mich beraten hat. Auch mahnt mich mein Herz in der Nacht.“ – So heißt es im Psalm 16, hieraus speist sich das Motto der diesjährigen Langen Nacht der Kirchen. Ja, unser Herz mahnt uns bisweilen gerade in der Ruhe der Abendstunden, in den letzten Momenten des Wachens, wenn wir vielleicht Belastendes Revue passieren lassen. In jenen Augenblicken aber sind wir auch Gott nahe, der durch jenes Mahnen unserer Herzen zu uns spricht, uns „berät“. Im heurigen Jahr gedenkt die Kirche an diesem Tag aber auch eines ganz bestimmten Herzens, das für uns alle geschlagen hat, für uns alle verwundet wurde: des Heiligsten Herzens Jesu, des konkreten Bildes der Liebe Gottes zu uns Menschen, der Quelle der Sakramente der Kirche.
Das spirituelle Herz ist der Ort, an dem Gott mit uns in Beziehung tritt; „erschaffe mir, Gott, ein reines Herz“, heißt es an anderer Stelle (Ps. 51,12). In dieser Nacht wünsche ich Ihnen allen, dass der Herr auch Ihr Herz rühren möge, dass Sie mit Freude durch diese Stunden gehen und sein Segen auf Ihnen bleiben möge.
Ihr
+ Franz Lackner
Erzbischof